CA in den Projekten
Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil über die Lebensspanne
Zu Beginn des Förderzeitraums des Capital4Health Projekts im Jahr 2014 wurden neben dem Capability Ansatz als theoretische Basis auch der „Interactive-Knowlegde-to-action“ – Approach (kurz IK2A) als Theorierahmen für die Projektarbeit gesetzt. Letzterer Ansatz bezieht sich auf einen interaktiven Wissensaustausch, der die Forschung „aus dem Elfenbeintum“ heraus reduzieren soll und stattdessen eine gemeinsame Envidenzentwicklung und Projektdurchführung zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis fördert.
Durch die Anwendung des interaktiven Wissensansatzes konnten die verschiedenen Akteure ihr bestehendes Wissen und ihre Erfahrungen austauschen und gemeinsam Maßnahmen zum Aufbau von Handlungsmöglichkeiten in verschiedenen Settings für ausgewählte Zielgruppen nutzen. Das Ziel war es dadurch auf transdiziplinäre Weise zu forschen, sprich gemeinsam mit der Zielgruppe Forschungsergebnisse zu generieren, aber auch ein Gesundheitsförderungsprogramm zu implementieren, welches dauerhaft, also auch nach Projektende, bestehen bleibt.
Um diese gemeinsame Planung für die Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil umzusetzen, wurde von allen empirischen Projekten dieser Wissensaustausch durch die Methode der kooperativen Planung (mehr informationen finden Sie dazu hier) umgesetzt.
Die Zielstellung der jeweiligen Projekte war es die Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil über die gesamte Lebensspanne in verschiedenen Setting zu verbessern. Hierfür wurde als theoretische Basis der Capability-Ansatz gewählt (eine genauere Erklärung finden sie hier).
Die empirischen Projekte erarbeiteten gemeinsam mit Multiplikator:Innen der Zielgruppe und der Zielgruppe selbst Maßnahmen zur Bewegungsförderung oder zum Aufbau von Handlungsmöglichkeiten im Kontext der kooperativen Planungsgruppen, basierend auf dem IK2A-Ansatz. Hierbei kamen neben jeweiligen Akteuren aus der Politik (z.B. Vertreter:innen von Ministerien oder Kommunalpolitiker:innen), auch Akteure aus der Praxis (z.B. Vereinsvertreter:innen, Erzieher:innen, Lehrer:innen, etc.) zusammen. Durch die praktischen Erfahrungen und bestehenden Möglichkeiten, in Kombination mit der wissenschaftlichen Evidenz, konnten auf tranzdiziplinäre Weise auf das Setting und die Zielgruppe individuell zugeschnittene Maßnahmen entwickelt werden, welche nicht nur die Handlungsmöglichkeiten der Zielgruppe, sondern auch die der Multiplikator:innen positiv beeinflusst haben.
Dies verschiedenen Abläufe innerhalb der Settings a) Kindergarten, b) Schule und Schülerbildung, c) Ausbildungsstätten und d) Kommune und involvierte Akteure, wurden durch Till et al. [1] analysiert und leisten einen wesentlichen Beitrag in der weiteren Verwendung des Capability Ansatzes in der Bewegungsförderung bzw. Gesundheitsförderung durch die dadurch gewonnenen Empfehlungen zur zukünftigen Umsetzung.
Nachfolgend werden die verschiedenen Teilprojekte unter der Verwendung eines theoretischen Modells [1] (für eine Erklärung klicken sie hier) dargestellt und erläutert.
Das Projekt QueB (Qualität entwickeln mit und durch Bewegung) befasste sich in den Förderzeiträumen (2014-2018 / 2018-2021) mit dem Aufbau von Handlungsmöglichkeiten im Setting Kindergarten mit besonderem Augenmerk auf die Zielgruppe Kinder und der Erzieher:Innen, welche als Multiplikator:innen maßgeblichen Einfluss auf das Bewegungsverhalten der Kinder haben.
Durch QueB konnten neue Handlungsmöglichkeiten für Kinder und Erzieher:Innen geschaffen werden. Um den Kindertagesstätten vor Beginn einer Planungsgruppe den Ist-Zustand ihrer Einrichtung darzulegen, wurde durch die Wissenschaft die sogenannte Kita-Check-App entwickelt. Hierbei können die Erzieher:innen selbst den Ist-Zustand in den folgenden Bereichen erheben:
Bereich 1: Räume innen
Bereich 2: Räume außen
Bereich 3: Materielle Ausstattung
Bereich 4: Kita-Kultur
Bereich 5: Bewegungsangebote
Bereich 6: Methodik & Didaktik
Bereich 7: Bildung & Bewegung
Bereich 8: Elternarbeit
Bereich 9: Qualifizierung & Konzeption
Diese Erhebung leistete eine Basis zur Identifikation möglicher Problempunkte, welche den Einbezug von Bewegung innerhalb der Kindertagesstätte hemmte und als Ausgangspunkt für die anschließende Planungsgruppe diente. Durch das Alter der Zielgruppe (Kinder) war es im Rahmen des interaktiven Wissensaustauschs nicht möglich die Kinder an den Planungssitzungen der Kooperativen Planung einzubeziehen.
Aus diesem Grund wurde im Zuge des Projekts eine dem Setting angepasste Methodik umgesetzt, welche Workshops zu Bewegung bei Kindern für die Erzieher:innen umfasste, als auch Planungsgruppen, bei denen mit den Erzieher:innen gemeinsam Maßnahmen zur Förderung von Bewegung im Kontext der verschiedenen Kindergärten (n=12) entwickelt und umgesetzt wurden. Diese Workshops und Planungsgruppen agierten als struktureller Faktor, der den Multiplikator:innen die Möglichkeit gegeben haben sich aktiv für Veränderungen einzusetzen und somit nicht nur positiven Einfluss auf sich selbst, sondern insbesondere auch auf die Kinder zu nehmen.
Durch die Planungsgruppen wurden in den Kindertagesstätten verschiedene Veränderungen umgesetzt. So wurden Beispielsweise die Räume bewegungsfreundlich umgestaltet, die Eltern bezüglich Bewegung bei Kindern geschult, oder auch der Umgang der Erzieher:innen bezüglich Alltagsbewegung der Kinder positiv beeinflusst. Diese Veränderungen führten zu Erfolgen, welche auch wissenschaftlich belegt werden konnten. So wurde auch eine Vorher-Nachher Erhebung mit Schrittzählern nachgewiesen, dass sich nicht nur die Kinder maßgeblich mehr während ihres Aufenthalts in der Kindertagesstätte bewegen, sondern auch die Erzieher:innen nach den Maßnahmen durch QueB deutlich mehr bewegten als vorher [2].
Das Projekt health.edu (in der zweiten Phase health.edu PLUS) beschäftigte sich mit der Verbesserung von Handlungsmöglichkeiten im Setting Schule. Hierbei wurde ein besonderer Fokus auf die sportbezogene Gesundheitskompetenz, welche für die Schülerinnen und Schüler einen individuellen Faktor zur Umwandlung von Ressourcen zu einem aktiven Bewegungsverhalten darstellt.
Das Projekt adressierte nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern adressierte gleich mehrere Zielgruppen, welche als Multiplikator:innen im späteren Verlauf für die Ausbildung von sportbezogener Gesundheitskompetenz bei Schüler:innen zuständig sind. Aus diesem Grund wurden im Projekt neben den Schüler:innen, deren Lehrer:innen als Multiplikator:innen einbezogen, aber auch eine höhere Ebene mit einbezogen. Diese bezog sich auf die universitäre Ausbildung von angehenden Sportlehrer:innen.
In der ersten Projektphase (2014-2018) wurden hierbei insbesondere die Realschulen und Gymnasien gefördert, während in der zweiten Projektphase (2018-2021) auch die Grundschulen in den Fokus genommen wurden.
In Planungsgruppen auf der Ebene der Schulen und auf der Ebene der Universitäten wurden gemeinsam mit Schüler:innen bzw. mit Studierenden, Dozierenden und Ministeriumsvertreter:innen Möglichkeiten zur Verbesserung der Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil im Setting Schule entwickelt.
Um die Handlungsmöglichkeiten für Bewegung im Schulalltag und auch im außerschulischen Kontext zu beeinflussen, wurden Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen durch die Planungsgruppen geplant und umgesetzt. So wurde für die Schüler:innen ein zusätzlicher Sporttag in der 9. Klassenstufe eingeführt, ein das interne Schulcurriculum der teilnehmenden Schulen bezüglich der sportbezogenen Bewegungskompetenz angepasst, sowie verschiedene sportdidaktische Maßnahmen implementiert. Auch das Universitäre Curriculum wurde bezüglich der sportbezogenen Gesundheitskompetenz überarbeitet und umfasst nun Lehrinhalte zur Ausbildung der Kompetenzen der angehenden Lehrer:innen.
Dadurch wurden im Projekt Health.edu (PLUS) über den Zeitraum der zwei Förderphasen insbesondere die individuellen Faktoren durch Lehrkompetenzen und Wissen beeinflusst und somit die Handlungsmöglichkeiten der Schüler:innen angesteuert.
Das Projekt PArC-AVE (Physical Acitivty-related Competence in Apprenticeship and Vocational Education) arbeitete während des Förderzeitraums mit Auszubildenden und Ausbildenden im Setting Pflegeschule bzw. der KFZ-Mechatronik. Das Projekt zielte darauf ab, die Handlungsmöglichkeiten mit besonderem Augenmerk auf die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz in der beruflichen Bildung zu stärken.
Um die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz zu steigern, wurde in beiden Ausbildungssettings eine kooperative Planung durchgeführt, bei deren Sitzungen neben den Auszubildenden auch Leiter:innen der jeweiligen Schulen bzw. Ausbildungsbetriebe anwesend waren, sowie Multiplikator:innen, wie Betriebsärzt:innen oder Abteilungsleiter:innen. Die geplanten Maßnahmen nahmen in beiden Settings unterschiedliche Wege. So wurden in beiden Settings die jeweiligen Ausbildungscurriula um die bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz erweitert, den Ausbildenden eine Handreichung zur Thematik zur Verfügung gestellt und somit die struturellen Faktoren beeinflusst. Zudem wurde Ausbilder:innen ein Workshop angeboten, in welchem Ihnen die Relevanz von Bewegung im (Arbeits-)Alltag dargestellt wurde und Sie bezüglich der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz geschult wurden. Um den Schüler:innen neue Handlungsmöglichkeiten innerhalb ihrer Ausbildung zu bieten, wurden verschiedene strukturelle Veränderungen in den jeweiligen Settings vorgenommen.
In den Pfelegeschulen wurde eine zusätzliche Unterrichtsstunde zum Theme Bewegung und Gesundheit (kurz BuG-Stunde) eingeführt. Ziel des Unterrichts ist hierbei den angehenden Pfleger:innen bestimmte Bewegungsabläufe und Gesundheitskompetenzen beizubringen, welche Sie selbst in ihrem Beruf anwenden können, um aktiv Einfluss auf ihr eigenes Wohlbefinden zu nehmen.
Im Rahmen der Kfz-Mechatroniker Ausbildung wurde ein Tutor:innen-System umgesetzt, bei dem jedem Auszubildendem ein jeweiliger Tutor oder eine Tutorin die Bewegungsmöglichkeiten aufzeigt.
In beiden Settings wurden zudem neue Sportkurse für die Auszubildenden umgesetzt und kürzere Bewegungspausen in den Arbeitsalltag integriert.
Damit konnte in den Ausbildungsbetrieben nicht nur das Wissen und Kompetenzen der Auszubildenden und Ausbildern beeinflusst werden, sondern auch die Strukturen bewegungsfreundlicher gestaltet werden [3].
Durch ACTION for men wurde der Aufbau von Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil innerhalb des kommunalen Settings adressiert. Hierbei wurden in drei Kommunen Handlungsmöglichkeiten für einen aktiven Lebensstil bei der Zielgruppe männliche Einwohner über 50 Jahren ausgebaut. Innerhalb des kommunalen Settings spielt hierbei das sogenannte „Capacity building“, der Aufbau von kommunalen Kapazitäten, wie beispielsweise Strukturen oder Aufbau von Netzwerken, eine übergeordnete Rolle.
Ziel innerhalb des kommunalen Settings war es also nicht nur die Handlungsmöglichkeiten der Männer über 50 Jahren zu fördern, sondern zudem die Kapazitäten des Settings zu stärken. Hierbei spielte die kooperative Planung eine große Rolle. Durch die kooperative Planung konnten Multiplikator:innen des Settings hinsichtlich ihrer Rolle als „Vermittler:innen“ bzw. „einflussnehmende Persönlichkeit“ geschult werden und ihr individuelles Wissen über Bewegungsförderung verbessert werden. Durch die kooperative Planung sollten zusätzlich die bestehenden Strukturen gestärkt werden, um die bewegungsbezogenen Handlungsmöglichkeiten in den Vereinen vor Ort für die Männer zu erweitern.
Die durch die kooperative Planung entstandenen Maßnahmen unterschieden sich innerhalb der Kommunen gänzlich. Während in einer Kommune eine Kommunikationskampagne für Männer über 50 gestartet wurde, die über bestehende Angebote und die Möglichkeit zur Teilnahme informierte, wurde in der zweiten Kommune die sogenannte „Sportcard“ eingeführt [5]. Diese sollte den Männern die Möglichkeit bieten zu einem geringen Unkostenbeitrag in verschiedene Sportdisziplinen und neu entwickelte Angebote, wie beispielsweise „weiches Karate“ oder „sanfte Judo“ für die älteren Gernerationen, zu schnuppern und somit aktiv zu werden.
[1] Till, M., Abu-Omar, K., Ferschl, S., Abel, T. , Pfeifer, K., & Gelius, P. (submitted). Using the Capability Approach in health promotion projects: a Framework for implementation
[2] Müller, C., Hassel, H. (2020). Einflussfaktoren der körperlichen Aktivität von Kindern in Kitas: Eine Mehrebenenanalyse mit Querschnittsdaten aus dem Projekt QueB 2. Das Gesundheitswesen; doi: 10.1055/a-1205-0917
[3] Strobl, H., Ptack, K, Töpfer, C., Sygusch, R. and Tittlbach, S. (2020). Effects of a Participatory School-Based Intervention on Students’ Health-Related Knowledge and Understanding. Front. Public Health 8:122. doi: 10.3389/fpubh.2020.00122
[4] Popp, J., Carl, J., Grune, E., Semrau, J., Gelius, P., & Pfeifer, K. (2020). Physical activity promotion in German vocational education: does capacity building work? Health Promot Int. doi:10.1093/heapro/daaa014
[5] Loss, J., Brew-Sam, N., Metz, B., Strobl, H., Sauter, A., & Tittlbach, S. (2020). Capacity Building in Community Stakeholder Groups for Increasing Physical Activity: Results of a Qualitative Study in Two German Communities. Int J Environ Res Public Health, 17(7). doi:10.3390/ijerph17072306